Street Food ohne Münzen

Wenn es um bargeldlose Zahlung geht, liegen die Länder Europas meiner Meinung nach meilenweit auseinander. In Deutschland hängen die Menschen bekanntlich noch stark am „Cash“, was ich allabendlich bei meinem Stopp im Supermarkt merke. Ein großer Teil der Kunden kramt stets nach dem Kleingeld. Diejenigen, die mit Karte zahlen, tun dies in aller Regel in Verbindung mit ihrem Pin-Code. Dabei macht das Zahlen mit Karte und der Auflege-Funktion doch richtig Spaß und reduziert unser aller Wartezeit in der Schlange vom Discounter bis zum Biomarkt. Unsere Nachbarländer sind da vielfach weiter.

In Prag war ich kürzlich auf dem Street Food-Markt Manifesto. Das Hipster-Areal liegt auf einem ehemaligen Parkplatz und wertet das ehemals triste Areal zwischen Ring- und Ausfallstraßen, Bahnhof und Busstation auf. Besonderheit: Hier gibt es kein Cash. Wer Craft Beer, Grillwurst oder Eiscreme vom Cold Stone möchte, ist praktisch gezwungen, die Kreditkarte zu nutzen – in fast allen Fällen nutzten die Kunden vor mir die „Tap-Funktion“ und legten die Karte lediglich bis zu einem kurzen Piepen auf.

Was für mich der persönliche Street Food-Traum ist, gilt anderen als absolutes No-Go. Man verliere die Übersicht über seine Ausgaben – habe keinerlei Kontrolle mehr über das eigene Budget sagen Kritiker. Ich muss zugeben, dass ich diese Argumente nicht wirklich nachvollziehen kann. Ketzerisch gesagt: Entweder man kann mit Geld umgehen oder nicht.

Die Engländer sehen es ähnlich wie die Prager Manifesto-Kunden. In London wirkt die Zahlung mit Bargeld schon lange eher antiquiert. Erst neulich verbrachte ich vier Tage in der Hauptstadt der Briten. 20 Pfund in Cash reichten mir, um das verlängerte Wochenende zu überstehen. Warum: weil sich praktisch alles mit Karte zahlen lässt. Und nicht nur das. Tappen ist absolut Usus – der Code also größtenteils überflüssig. Erst bei mehr als fünf bis sechs Zahlungen hintereinander kommt ggfs. mal ein Alert je nach Kreditkartenanbieter und die Frage, ob man wirklich der Zahlende war.

Die Nutzung von Visa, Mastercard und Co. beschränkt sich nicht auf Supermarkt und Restaurant. Drogeriemärkte akzeptieren sie selbst für die Zahlung eines Rasierschaums im Gegenwert von unter einem Euro. A propos Drugstore: Reden muss ich hier mit eh niemandem, da die Kasse voll automatisch funktioniert und ich die Artikel dort selbst einscanne. Obendrein „redet“ die Kasse auf Wunsch sogar Deutsch mit mir. Was kann es da also noch für Missverständnisse geben? Ein wahrer Zahlungstraum ist auch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Egal ob Victoria-Express zwischen Innenstadt und Airport oder U-Bahn – drin ist, wer tapt. Fahrkarten sind überflüssig – da ich mich mit der Kreditkarte an den Stationen einfach ein- und wieder auschecke. Und wenn ich das Auschecken mal vergesse? Auch kein Problem – dann wird ein gedeckelter Höchstpreis von rund sechs Pfund abgebucht. Ja selbst die Busse zahle ich in London ohne Kleingeld. Im Gegensatz zu Zug und U-Bahn checke ich mit Karte lediglich ein. Beim Aussteigen ist überhaupt keine Aktion nötig. Eine Wonne ist das Zahlen im Restaurant – sogar mit Freunden. Geht man zu viert in die Pizzeria, bittet man den Kellner einfach, die Rechnung entsprechend zu gleichen Teilen zu splitten und jeweils zehn Prozent Trinkgeld aufzuschlagen. Anschließend werfen alle Gäste ihre Karte auf ein kleines Tablett und er tappt jede Karte einmal schnell über das Gerät. Der gesamte Prozess benötigt etwa 20 bis 30 Sekunden.

Man bedenke – wir sprechen hier von Kreditkarten. Von Google und Apple Pay möchte ich hier gar nicht erst anfangen. Auf fast jeder Reise ins Ausland stelle ich immer wieder fest, wie hoch die Aversion der Deutschen gegenüber Kartenzahlung insbesondere ohne Pin zu sein scheint. Ob Trambahn-Fahrkarte in Prag, Drogerie-Artikel in London, Sandwich-Zahlung im Easyjet-Flieger oder Dinner im weit entfernten Australien: Je mehr ich die Art der Zahlung nutze, desto mehr würde ich sie mir hier wünschen.

Aber ein bisschen Trost gibt es – denn nicht alle Länder sind in puncto Zahlung so modern wie Großbritannien oder Tschechien. Auch in Frankreich und Italien sind die Menschen ähnlich zögerlich wie bei uns. Selbst im sonst so fortschrittlichen Baltikum gibt es große Unterschiede. Während man in Estlands Hauptstadt Tallinn buchstäblich jeden Kaugummi ohne Cash zahlt, ticken die Letten im nicht weit entfernten Riga zum Beispiel schon wieder ganz anders und machen die bargeldlose Zahlung viel schwieriger. Wir sind offensichtlich also gar nicht in sooo schlechter Gesellschaft.